Brasília. Am 17. Juni plant die brasilianische Erdölagentur ANP die Versteigerung von 172 neuen Erdölförderlizenzen an Land und auf See. Die Regierung unter Präsident Luiz Ignácio Lula da Silva setzt damit – wenige Monate vor der UN-Klimakonferenz COP30 in Belém – ihren Kurs zur Ausweitung der Erdölförderung fort. Umwelt- und Indigenenorganisationen protestieren energisch gegen die Auktion, da viele der Blöcke sich in ökologisch hochsensiblen Gebieten befinden.
05.06.2025 Brasilien / Umwelt
Vergabe von Erdöl-Lizenzen umstritten. Naturschutzgebiete direkt bedroht. Warnung vor irreversiblen Schäden
Von Ulrike Bickel
amerika21
Besonders umstritten sind 47 Förderblöcke an der Mündung des Amazonas sowie 17 Blöcke im Potiguar-Becken, nahe der UNESCO-Schutzgebiete Fernando de Noronha und Atol das Rocas. Weitere sechs Blöcke liegen im Parecis-Becken, das sich von Rondônia bis Mato Grosso erstreckt. Expert:innen warnen vor irreversiblen Schäden für marine Ökosysteme, bedrohte Arten und lokale Bevölkerungen.
Das Arayara-Institut hat bei Gerichten in vier Bundesstaaten Zivilklagen eingereicht. Es argumentiert, dass 68 Prozent der angebotenen Blöcke ohne rechtliche Grundlage ausgeschrieben seien, da das zugrundeliegende interministerielle Dokument einen Tag nach der Auktion ausläuft. Außerdem seien weder Umweltverträglichkeitsprüfungen noch die nach internationalem Recht verpflichtende Konsultation der betroffenen Gemeinschaften durchgeführt worden.
Das Institut fordert die sofortige Aussetzung der Auktion und betont die sozialökologischen Risiken für indigene Territorien, Fischerei und nachhaltigen Tourismus. Die geplanten Bohrungen gefährden empfindliche Riffsysteme, unterminieren Brasiliens Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel und widersprechen internationalen Verpflichtungen, etwa der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker.
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Auch die Bundesstaatsanwaltschaft von Pará spricht sich gegen die Auktion aus. Sie fordert, mindestens die 47 Blöcke im Amazonas-Mündungsgebiet auszuschließen. Schon die zwischen 2013 und 2014 versteigerten Blöcke in dieser Region konnten nie in Betrieb genommen werden, da das Unternehmen keine glaubhafte Strategie zur Vermeidung oder Bewältigung von Ölunfällen vorlegen konnte. Sollte die ANP die Empfehlung ignorieren, behält sich die Staatsanwaltschaft weitere rechtliche Schritte vor.
Gleichzeitig organisiert Arayara lokale Widerstandsnetzwerke, etwa auf dem Archipel Fernando de Noronha, wo Ende Mai ein Treffen mit Vertreter:innen von Umweltbehörden, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik stattfand. Die Bevölkerung sei sensibilisiert und bereit, sich weiteren Versuchen zur Ölförderung zu widersetzen.
Die ANP verteidigt ihr Vorgehen und spricht von zwölf Unternehmen, die bereits Interesse an der Auktion bekundet hätten. Kritiker hingegen werfen der Agentur vor, eine Wiederholung der gescheiterten Auktion von 2021 anzustreben. Damals hatte es kaum Interesse an den Blöcken gegeben – eine Niederlage für die Bolsonaro-Regierung. Diesmal bleibt deutliche Kritik aus dem progressiven Lager weitgehend aus.
Umweltschützer:innen kritisieren das Festhalten an der Auktion als gravierenden politischen Fehler, da keine der Lizenzen den nationalen und internationalen Umweltstandards entspreche. Die Auktion sei ein Rückschritt für den Schutz von Klima und Biodiversität und gefährde die Glaubwürdigkeit der brasilianischen Umweltpolitik.
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Fonte: Amerika 21
Foto: Luz Dorneles – Arayara